Beim Nordkuppelsaal handelt es sich um einen oktogonalen Raum mit vier halbrunden Nischen. Er ist fensterlos, schließt jedoch nach oben mit einer Glaskuppel ab. Durchgänge befinden sich in der West- und Südwand.
Beschreibung
Der Fußboden besteht aus Marble-Cement und keramischem Mosaik. Er ist geometrisch gegliedert und farblich und ornamental reich geschmückt. Die achteckige Hauptfläche ist durch von grünen Rahmungsstreifen gesäumte, ockerfarbene Gliederungsstreifen1 gerahmt und zusätzlich durch vier weitere, sich kreuzende, ockerfarbene Gliederungsstreifen in dreieckige und rechteckige Flächen und eine quadratische Mittelfläche untergliedert.
An den Schnittpunkten sind mit Inkrustationen versehene Rosettenmedaillons eingesetzt. Gliederungsstreifen und Teilflächen sind durch Mosaikbänder gerahmt, wobei die Rechteckflächen und die Mittelfläche durch zusätzliche Mosaikbänder gegliedert sind. In der Mitte ergibt sich dadurch eine Kreisfläche, an den Ecken gerahmt durch vier Dreiecke. Der Kreis nimmt die runde Öffnung der Kuppel auf.
Ursprünglich war die Kreisfläche, die heute nur noch fragmentarisch erhalten ist, in sich gegliedert. Die rosafarbene Grundfläche wurde durch strahlenförmig zur Mitte hin verlaufende Mosaikbänder unterteilt. Mittig befand sich eine weitere Kreisfläche mit Mosaikrahmung. Der innere Kreis war vermutlich entweder ocker oder rot angelegt. Hierzu existiert heute kein Befund mehr, die Schlussfolgerung ergibt sich aber aus den Grundfarben der gesamten Raumgliederung. Ganz innen befand sich ein weiteres rundes Medaillon, vermutlich entsprechend der vier Medaillons in den Schnittpunkten der Gliederungsstreifen.
Die Teilflächen sind farbig angelegt, neben der Hauptfarbe Weiß sind Rot, Schwarz, Rosa und Grün vorhanden. Der Randbereich, der auch die vier halbrunden Nischen ausfüllt, ist mit einem dunkelgrünen Belag aus Marble-Cement versehen. Die Durchgangsflächen nach Westen und Süden sind mit keramischem Mosaik ausgelegt. Die dortigen Randbereiche bestehen aus Marble-Cement.
Objektgeschichte
Der Nordkuppelsaal war ursprünglich Teil der Gipsabgusssammlung und zeigte Objekte der griechischen Antike.2 1851 fehlte noch die letzte Überarbeitung der Fußböden, da vorher die Ausmalung vollendet sein sollte. 1852 war die Innenraumgestaltung abgeschlossen. Die Sammlung wurde 1856 eröffnet.3 Noch in den 1850er Jahren wurden erste Setzrisse besonders im Nordwestbereich des Gebäudes festgestellt.4
1868 wurde die Ausstellung umgebaut, 1870 revidierte man die Ausstellungsorte. 1875 erfolgte der Umbau des Oberlichts und man brach die oberste Kassettenreihe der Kuppel zugunsten eines vergrößerten Fensters ab.5 1875 wurde vermutlich die zweite, 1915–19 vermutlich die dritte Raumfassung durchgeführt.6 Zu dieser Zeit wurden auch die Heizungen umgebaut. 1921 zog die Gipsabgusssammlung aus dem Neuen Museum aus.7 1929 erfolgte der Bau des Übergangs zwischen Neuem Museum und Pergamonmuseum, dabei kam es zum Durchbruch einer Türöffnung in der Nordwand des Nordkuppelsaals. Des Weiteren findet sich für 1935 eine Erwähnung, dass der Linoleumbelag in einem Raum der Ägyptischen Abteilung entfernt werden sollte.8 Es ist denkbar, dass zu dieser Zeit auch die Linoleumbeläge anderer Räume entfernt wurden. Linoleum war in Form von Läufern in den meisten Räumen ausgelegt, wie historische Fotos belegen.9 Im Nordkuppelsaal sprechen zahlreiche korrodierte Eisenstifte im Fußboden für die ehemalige Befestigung eines Fußbodenbelags.
1945 erhielt der benachbarte Nordwestflügel mehrere Treffer durch Sprengbomben. Er wurde in den Nachkriegsjahren abgebrochen. Der westliche Durchgangsbereich des Nordkuppelsaals stand über viele Jahre offen und war der Witterung ausgesetzt. Die Glaselemente des Oberlichts und Teile der Bedachung waren 1945 ebenfalls zerstört worden, so dass der Saal der Witterung weitgehend ungehindert ausgesetzt war. 1987 erhielt der Fußboden des Saals einen Schutzbelag aus Sand und Schlackeaufschüttung, der 1994 wieder entfernt wurde.10 Nach 1987 erfolgte die Sicherung des stark gerissenen Mauerwerks der Kuppel durch eine provisorische Stahlkonstruktion. 1989 wurde der westliche Durchgang zum ehemaligen Apollosaal (2.09) als Schutzmaßnahme zugemauert. 2003 wurde der Übergang zum Pergamonmuseum abgebrochen und der Durchgang verschlossen.11
Im Fußboden zeigte sich mindestens eine historische Reparaturmaßnahme. Besonders die Marble-Cement-Flächen weisen umfangreiche Ergänzungen auf.
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Werktechnik
Marble-Cement ist ein doppelt gebrannter, alaunisierter Gips sehr feiner Mahlung. Er verdankt seinen Namen dem marmorartigen Aussehen und Verwitterungsverhalten und zeichnet sich durch eine sehr harte, glatte, polierfähige und transluzente Oberfläche aus. Diese Technologie wurde um 1840 in England von Greenwood und Keene entwickelt und war kurze Zeit später auch in Deutschland verfügbar.
Für die Herstellung von Marble-Cement wurde hochreiner Rohgips verwendet und bei Temperaturen zwischen 120 und 180°C gebrannt. Nach dem Brennen erfolgte eine Tränkung mit Kaliumaluminiumsulfatlösung (Alaun). Danach wurde der Gips ein zweites Mal, bei Temperaturen zwischen 700 und 900°C gebrannt. Der so behandelte Gips wurde fein vermahlen.12 Das fein gemahlene, pulverförmige Material wurde pigmentiert oder unpigmentiert verwendet. Es wurde in Alaunlösung angemacht und verarbeitet. Die verdichteten Marble-Cement-Flächen wurden nach vollständiger Trocknung geschliffen und poliert.
Die historische Verwendung von Marble-Cement im Neuen Museum brachte einige Probleme mit sich. Den Archivalien nach zu urteilen, stellte sich bei der Verarbeitung des öfteren eine fleckig gelbe Verfärbung ein. Diese Problematik ist nicht spezifisch für bestimmte Bereiche der Anwendung vermerkt, sondern bleibt allgemein. Obwohl umfangreiche Ursachenforschung betrieben wurde, konnte das Phänomen nicht letztgültig geklärt werden. Als mögliche Ursachen wurden überhöhte Feuchtigkeit, zu schnelle Trocknung und die Gegenwart von Eisen in Sand und Werkzeugen genannt. Bei der Suche nach Vergleichsbeispielen stellte man fest, dass dieselbe fleckige Verfärbung auch bei der Marble-Cement-Anwendung im Berliner Schloss und in einem nicht näher bezeichneten Vestibül in Hamburg aufgetreten ist.13
Das Mosaikmaterial besteht aus Steinzeugplättchen aus trocken gepresstem und bei über 900°C gebranntem Ton, eine Neuentwicklung der Berliner Firma March um 1845.14 Auf den Gewölbeziegeln befindet sich eine Ausgleichsschicht mit groben Zuschlägen, um Unebenheiten und Niveauunterschiede des Gewölbes auszugleichen. Der Mörtel besteht aus einem Gemisch von Gips und Sand mit geringem Kalkanteil. Der Gipsanteil liegt bei 50 bis 80 Prozent.15
Als Versetzmörtel des Mosaiks diente ein Gipskalkmörtel mit Sandzuschlägen. Die Mosaikplättchen wurden auf Papier vorgeklebt und mit Gips-Kalk-Sand-Mörtel zu Platten gegossen. Das Mosaik bestand somit aus einzelnen Verlegeplatten, die als Rapport hergestellt und auf der Baustelle als Muster zusammengesetzt wurden. Im Nordkuppelsaal fanden weiße, blaue, rote und schwarze Mosaikplättchen in drei verschiedenen Formen (Quadrate, Rhomben, Dreiecke) Verwendung. Vermutlich wurden bei der Herstellung zunächst die Mosaikrahmungen versetzt. Die durch die Mosaikrahmungen definierten Marble-Cement-Flächen waren damit in werktechnischer Hinsicht unkomplizierter auszugießen.
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Die Marble-Cement-Flächen zeigen verschiedene werktechnische Aufbauten mit mehreren Mörtelschichten. Als Unterbau des Marble-Cements diente Hochbrandgips, in dem Ziegel eingebettet waren. Bei den Ziegeln handelt es sich um Flachziegel, die fast lückenlos aneinander gelegt wurden. In den Eckbereichen wurden statt der ganzen Ziegel Ziegelbruchstücke eingefügt. Dieser Aufbau findet sich nicht durchgehend im ganzen Raum, vielerorts fehlen die Ziegel. Dennoch kann der beschriebene Aufbau als generelle Orientierung gelten.
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Als direkte Trägerschicht des Marble-Cements fand ein Gipsmörtel mit Zuschlag aus Sand und grobem Kies Verwendung (siehe Abb. 2 und 3). Die Schichtstärke variiert zwischen 1 und 5 Zentimetern. Die Korngrößen von Sand und Kies liegen zwischen 0 und 12 Millimetern. Die Marble-Cement-Schicht wurde auf diese Trägerschicht gegossen. In wenigen Bereichen der ockerfarbenen Gliederungsstreifen ist sie zweischichtig aufgebaut, wobei die untere Schicht unpigmentiert ist. Die übrigen Flächen sind einschichtig aufgebaut. Die Schichtstärke des Marble-Cements liegt zwischen 2 und 10 mm. Die Medaillons sind wesentlich massiver ausgeführt. Hier besitzt die schwarze Grundplatte eine Stärke von etwa 2,5 cm. Die Inkrustationen wurden nur auf wenige Millimeter ausgearbeitet. Der Marble-Cement des Randbereichs und der Wandnischen weist eine Schichtdicke bis zu 8 mm auf.
Erhaltungszustand
Die gesamte Fußbodenfläche war durch Staub, Ruß, Spachtel- und Klebemassen, Teerflecke und Mörtelreste stark verschmutzt. Stellenweise waren dunkle Verkrustungen an der Oberfläche feststellbar.
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Der Marble-Cement zeigte in einigen Bereichen starke Verwitterung der Oberfläche mit Substanzverlust bis zu mehreren Millimetern. Die reduzierte Oberfläche war aufgeraut und pustelig und hatte das typische Erscheinungsbild von Marble-Cement verloren. Die Flächen waren von starker Rissbildung durchzogen. Neben dem für Marble-Cement typischen Krakelee aus Haarrissen, die bereits kurz nach der Herstellung aufgrund von materialimmanenten Spannungen entstehen, ließen sich auch breitere Risse mit abgewitterten Kantenverläufen feststellen. Entlang der Bruchzonen waren oftmals Abscherbungen und Schalenbildung zu beobachten. Die farbigen Inkrustationen der Medaillons waren teilweise ausgebrochen. Zudem fanden sich aufgewölbte und eingebrochene Bereiche über Hohlstellen sowie diverse Ausbrüche (siehe Abb. 4).
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Bei Perkussions- und Radaruntersuchungen 2006 konnte festgestellt werden, dass etwa ein Viertel des Fußbodens starke Trennschichten bzw. Hohllagen aufwiesen. Dabei handelte es sich vor allem um Trennungen zwischen Unterbau und Ausgleichsschicht. Weniger gravierende Trennschichten befanden sich zwischen Marble-Cement-Trägerschicht und Unterbau. Diese lagen vor allem im südlichen und westlichen Raumteil vor.16 Zudem waren Unterbau und Trägerschicht des Marble-Cements stark bindemittelreduziert. Diese Mängel führten in der Vergangenheit bereits zu Schäden. Die sehr harte und dünne Marble-Cement-Schicht benötigt einen stabilen und vollflächigen Untergrund. Ist dies nicht der Fall, kommt es bei punktueller Belastung der Oberfläche zum Einbrechen einzelner Partien (siehe Abb. 5).
In der Mitte des Fußbodens unter der Kuppel befand sich eine große Fehlstelle, die sich nach Süden und Westen ausweitete. Auch im westlichen Teil war größerer Bestandverlust zu verzeichnen. Insgesamt waren etwa 30 Prozent des ursprünglichen Fußbodens der Hauptfläche verloren.
In den Flächen aus Marble-Cement befanden sich zahlreiche historische Ergänzungen, die sich in Farbe und Transparenz vom Originalbestand unterschieden (siehe Abb. 6). So war der ockerfarbene Ton der Gliederungsstreifen in den Ergänzungen erheblich dunkler und offenporiger, auch das Grün des Randbereichs mit den Nischen war dunkler. Vermutlich handelte es sich nur bei einem kleinen Teil des Randbereichs noch um den ursprünglichen Bestand. Die ockerfarbenen Ergänzungen waren zum Teil mit dunklem Zuschlag versehen oder enthielten grobkörnige Marble-Cement-Anteile. In den weißen Flächen fiel vor allem die verminderte Transparenz der Ergänzungen gegenüber dem ursprünglichen Bestand auf. Im rosafarbenen Innenkreis lagen ockerfarbene Ergänzungen vor.
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Des Weiteren waren einige historische Reparaturen aus Zementmörtel und neuzeitliche Sicherungsmörtel auf Kalkbasis vorhanden. In den Marble-Cement-Flächen befanden sich zahlreiche Metallstifte, die vermutlich als Befestigung von Fußbodenbelägen dienten. Diese waren stark korrodiert und hatten vielfach zu kleinen Abplatzungen und Materialverfärbungen geführt.
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Die Mosaikbänder zeigten zwischen den einzelnen Mosaikplättchen starke Höhenversprünge, einzelne Plättchen waren mehrfach gebrochen. Viele Steine waren bereits gelöst und lagen nur noch locker auf dem Untergrund. Einige Mosaiksteine, besonders im Randstreifen, fehlten.
Restaurierung
Ziel der Maßnahme war die Erhaltung des historischen Fußbodens einschließlich seiner Oberflächenverformungen, Rissbildern und Gebrauchsspuren. Eine Rekonstruktion des bauzeitlichen Bestands war nicht angestrebt. Zwar sollte der Fußboden als solcher nutzbar gemacht werden, was eine Ergänzung der Fehlstellen beinhaltete, dabei sollte aber eine Unterscheidbarkeit vom historischen Bestand gewährleistet sein. Ausschließlich im Bereich der Teilflächengliederung durch Mosaikbänder wurden diese zur Verdeutlichung der geometrischen Gestaltung der Fläche rekonstruiert.
Um die Stabilität und Funktionalität des Fußbodens zurückzugewinnen, war es notwendig, ihn komplett aufzunehmen, Unterbau sowie Trägerschichten zu erneuern und die stabilisierten Stücke punktgenau zu replatzieren (siehe Abb. 8).
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Nach der Vorreinigung der gesamten Fläche erfolgte die Aufnahme des Fußbodens in einzelnen Segmenten. Diese wurden anhand von Rissverläufen und Mosaikbändern eingeteilt. Alle Segmente wurden zunächst zum Schutz der Oberfläche mit einer reversiblen Kaschierung versehen. Durch Lockern des Versetzmörtels und leichten Zug konnten so die Segmente vom Versetzmörtel abgehoben werden. Der auf der Rückseite noch aufliegende Mörtel wurde entfernt, Risse wurden verfüllt und alle Segmente mit einer neuen Trägerschicht versehen.
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Vor Ort erfolgten die Ergänzung des Unterbaus und die Replatzierung der aufgenommenen Segmente in Versetzmörtel. Binnenfehlstellen im Marble-Cement und Mosaik wurden in historischer Werktechnik, angepasst an den Originalbestand ergänzt (siehe Abb. 10).
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Lockere Mosaiksteine wurden wieder festgesetzt, fehlende und stark geschädigte Mosaiksteine durch rekonstruierte Steinzeugplättchen ersetzt (siehe Abb. 11).
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Die Schließung großflächiger Fehlstellen des Hauptfeldes erfolgte in gebrochenem Weißton als »Neutralergänzung«. Die Mosaikbänder der Hauptgliederungsachsen und die grünen Rahmungsstreifen der Gliederungsstreifen wurden purifizierend rekonstruiert. Als Ergänzungsmaterial der großen Fehlstellen war Marble-Cement vorgesehen. Nach Ausführungsproben und deren Abnahme wurden die Ergänzungen auch in Bestandswerktechnik durchgeführt. Die Endbearbeitung umfasste die Verfugung des Mosaiks, Schleif- und Spachtelarbeiten, eine Alaunwasserbehandlung und ein Oberflächenfinish (siehe Abb. 12).
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Die Restaurierung hatte einen stabilisierten Zustand des Fußbodens zum Ergebnis, der den Anforderungen des Museumsbetriebs gewachsen ist. Die durch Fehlstellen gestörten Marble-Cement- und Mosaikbereiche sind durch Ergänzungen wieder zu einer geschlossenen Fläche zusammengeführt worden. Die farblich angepassten kleinen Ergänzungen im Marble-Cement sorgen für einen geschlossenen optischen Eindruck, während die große Neutralergänzung optisch hinter das Original zurücktritt und durch die bewusste Entscheidung gegen eine Rekonstruktion von diesem einwandfrei unterschieden werden kann.
Annika Bachem, Dr. Stefanie Lindemeier und Larissa Piepo